Schweiz-EU: Beziehungen unter Strom – In der aktuellen Situation gibt es nur Verlierer

Kevin  - Team s+v
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9 November 2022 Tempo: 4 minuti
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EBS_Beziehungen unter Strom
Am 2. November machte die Europatour der Europäischen Bewegung Schweiz in der Basler Markthalle Halt. Die Sektion Basel lud zusammen mit der Regio Basiliensis zu einem spannenden Anlass unter dem Motto “Schweiz-EU: Beziehungen unter Strom” ein. Nach einem kurzen Einstiegsreferat zeigte sich in der Diskussion, dass die Blockade in den Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union auch im Bereich der Stromversorgung gravierende Risiken mit sich bringt. Eine breite öffentliche Diskussion zum Wert der Beziehungen erscheint notwendig, um die aktuelle Blockade zu lösen.

Gastbeitrag von Samuel Huber, Vorstandsmitglied Europäische Bewegung Schweiz Sektion Basel

In seinem einführenden Referat präsentierte Christian Bühlmann (Botschaftsrat bei der Mission der Schweiz bei der EU) eine Auslegeordnung zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Allgemeinen sowie im Strombereich im Speziellen. Die Schweiz sei rein physisch gesehen vollständig in das Europäische Stromnetz integriert, ohne Stromabkommen sei sie jedoch rechtlich und kommerziell ausgeschlossen. Darunter litten die Netz- und Versorgungssicherheit und die volkswirtschaftlichen Kosten seien beträchtlich. Gerade während der aktuellen Energiekrise akzentuierten sich die Nachteile für die Schweiz, die sich aus dem fehlenden Stromabkommen ergeben würden. Während sich die Energieministerinnen und Energieminister der EU-Staaten aufgrund der aktuellen Lage im Zwei-Wochen-Takt treffen würden, bleibe die Schweiz aussen vor. Sie sei schlicht nicht eingeladen und könne folglich ihre Interessen nicht einbringen. Mittelfristig riskiere sie überdies, die Energiewende und ihre Klimaschutzziele zu verpassen. Dies sei umso bedauerlicher, da ein zu grossen Teilen ausgehandeltes Stromabkommen mit der EU eigentlich bereit liegen würde.

Bekannterweise sei die EU jedoch nicht bereit, weitere sektorielle Abkommen zu ratifizieren, solange die übergeordneten, institutionellen Fragen nicht geklärt seien. Diesbezüglich laufen Sondierungsgespräche mit der EU, der Bundesrat habe hierzu am 23. Februar 2022 die Stossrichtung für ein breites Verhandlungspaket beschlossen. Herz des Verhandlungspakets bilde der vertikale Ansatz. Demnach solle die Lösung der institutionellen Fragen, namentlich der Rechtsübernahme, Streitbeilegung und Rechtsanwendung in den jeweiligen sektoriellen Abkommen liegen und nicht in einem Rahmenabkommen. Diesen Ansatz hatte die EU jedoch bereits vor über zehn Jahren abgelehnt. Die Erfolgsaussichten scheinen überschaubar.

Breiter Konsens zu negativen Folgen des fehlenden Stromabkommens

Auf dem Podium herrschte danach breiter Konsens darüber, dass das fehlende Stromabkommen ein grosses Problem für die Schweiz darstellt. Andrea Mäder (Head of Public Affairs bei der Swissgrid AG) hielt fest, dass Swissgrid wichtige Rechtssicherheit fehle, weil die Verträge jährlich erneuert würden und danach noch von den Regulatoren der EU gutgeheissen werden müssen. Das koste Zeit und viel Geld. Die Trümpfe Wasserkraft und Transitnetz, welche von der Schweiz jeweils ins Feld geführt würden, verlören zunehmend an Kraft. Denn der Strombinnenmarkt würde in der EU stetig weiterentwickelt und das Netz ausgebaut. Ausserdem könne sich die EU die lose-lose-Situation besser leisten als die Schweiz. Zudem würden die Endkonsumentinnen und Endkonsumenten die steigenden Netztarife je länger je mehr zu spüren bekommen.

Dr. Sebastian Deininger (Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt bei der Handelskammer beider Basel) machte darauf aufmerksam, dass ein Stromabkommen wichtig sei, zu präferieren sei aber eigentlich ein Energieabkommen, weil zum Beispiel auch im Bereich Gas grosse Herausforderungen und Unsicherheiten bestehen würden. Es brauche darüber hinaus in der Schweiz noch zusätzliche Bemühungen, Energie zu sparen und die Energieeffizienz zu erhöhen. Dies solle vornehmlich über Preissignale geschehen. Weiter stellen die komplizierten Planungs- und Genehmigungsverfahren ein Problem dar. Die Verfahren müssten gestrafft und beschleunigt werden, um die Energieproduktion in der Schweiz auszubauen.

Dr. Rudolf Rechsteiner (alt Gross- und Nationalrat sowie Verwaltungsrat bei den Industriellen Werken Basel (IWB)) zeigte sich erstaunt darüber, in welcher Geschwindigkeit das Parlament aktuell die Erneuerbaren fördern möchte, vornehmlich die Fotovoltaik. Während früher vor allem die SVP im Schlepptau der Atomlobby eine Verhinderungspolitik der Erneuerbaren praktizierte hätte, seien in der Herbstsession «aus dem Stand» Gesetze entworfen und mit grossen Mehrheiten durchgewunken worden. Den Grund für die Blockade in der Europapolitik machte er beim Bundesrat aus. Es fehle dem Aussenminister an Führungsqualitäten. Es brauche neue Köpfe, damit das Dossier vorwärtskomme. Diese Kritik wollte Christian Bühlmann nicht unbeantwortet lassen. Das Problem liege vor allem auch darin, dass die verschiedenen Stakeholder in der Schweiz nicht bereit seien, ihre Partikularinteressen zugunsten der Lösung der institutionellen Fragen zurückzustellen. Moderiert wurde der Anlass von Thomas Dähler, Redaktor bei der Basler Zeitung.

Das Fazit war derweil schnell gezogen. In der aktuellen Situation gibt es nur Verlierer. Der Bundesrat muss jetzt handeln und die institutionellen Fragen mit der EU klären. Die negativen Folgen der Blockade in der Europapolitik sind längst nicht nur im Strombereich zu verorten, darunter leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, nicht zuletzt im Dreiland Basel.

Die Europäische Bewegung Schweiz setzt sich auf allen Ebenen mit Nachdruck für eine Lösung der institutionellen Fragen mit der EU ein. Die Sektion Basel ist überzeugt, dass die gesellschaftliche Debatte zu den Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union intensiviert werden muss. Dazu hat die Sektion je eine Verfassungsinitiative im Kanton Basel-Landschaft und im Kanton Basel-Stadt lanciert. Die kantonalen Volksinitiativen sollen eine breite Diskussion zum Wert der gesamteuropäischen Zusammenarbeit für die Menschen in unserer Region entfachen und den Druck auf den Bundesrat aufrechterhalten. Hier kannst du die kantonalen Volksinitiativen unterstützen!

Der nächste europapolitische Anlass in Basel steht schon an:

stark+vernetzt lädt zu einer spannenden Diskussion unter dem Titel «Mehr oder weniger Europa? Die Schweiz muss sich entscheiden» ein. Mehr zu dieser Veranstaltung, sowie die Möglichkeit sich anzumelden findest du hier.

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